Nicht erst seit George Orwells „1984“ wissen wir, mit welcher Perfidie und Zielsetzung Geschichte umgeschrieben wird. Wir leben in einer Epoche, in der die „Resignifikation“, d.h. die „Aneignung und Umdeutung bekannter Symbole und Begriffe“ zur strategischen Waffe des Rechtspopulismus und der extremen politischen Rechte geworden sind. Das Projekt der „historisch-fiktionalen Gegenerzählung“ ist im vollen Gange.  Das Verstörend-Gefährliche ist: So absurd die Gegenerzählungen oder deren Kombinationen auch sein mögen, und beim schlichten Hören mindestens Kopfschütteln, wenn nicht schallendes Gelächter auslösen müssten, so finden sie dennoch in zunehmendem Maße einen politisch-kulturellen Echoraum. Mich beschlich während der Lektüre immer wieder die Frage, was in Geschichtsunterricht, Erinnerungsarbeit und politischer Bildung in den letzten Jahrzehnten eigentlich schiefgegangen ist, dass es zu einer in der Geschichte der Bundesrepublik bislang nicht erlebten Demokratiegefährdung kommen konnte und wir ihr weitgehend ratlos gegenüberstehen? Weiß geht diesen Tendenzen und Strategien an drei Themenfeldern nach: der deutsch-russischen Allianz am rechten Rand des politischen Spektrums; dem Versuch, den Nationalsozialismus in den Vertreter der deutschen politischen Linken umzudeuten und der Beförderung einer antikommunistischen DDR-Nostalgie. Bereits seit geraumer Zeit und vor dem Hintergrund des Vorbilds anderer europäischer Länder und Parteien gewinnt die neue russisch-deutsche Allianz am rechten Rand, von deutscher Seite auch ergänzt durch eine Grundsympathie für China, an Konturen. Die Vorarbeiten im Sinne der Re-Definition der russischen neo-imperialen Mission und der Kritik an der „Dekadenz des kollektiven Westens“ sind in Russland seit Jahren regierungsseitig wie durch zahlreiche „Zulieferer“ im Gange. Zudem hat in Russland diese Fundamentalkritik auch eine religiös-messianische Grundierung: Man sieht sich in der Rolle des Katechons, des „Aufhalters“, der sich dem falschem Messias entgegenstellt und zum Retter wird. Es bilden sich Diskurs-Allianzen heraus, die von russischen Ultranationalisten und orthodoxen Fundamentalisten vom Schlage eines Dugin über die AfD und andere rechten/rechtsextreme Gruppierungen bis hin zu Trumpisten reichen. Weiß gibt vertiefte und interessante Einblicke in die Netzwerke und Querverbindungen. Wiederauferstehung feiern in diesem Kontext auch alte Konzepte wie die Vorstellung eines „ Eurasien“ als Gegenentwurf zu transatlantischen oder europäischen Einigungs- und Kooperationskonzepten. Und natürlich auch das bekannte „Zwischeneuropa“ oder „Mitteleuropa“, natürlich garniert mit dem Hinweis auf Carl Schmitt und seinem formulierten Verbot des Eingreifens raumfremder Mächte. Geträumt wird von der Wiedergeburt Ostpreußens als Gegenleistung für die Aufgabe der Westbindung Deutschlands. Es dominiert ein „antiwestliches Paradigma“ und Russland wird als „Geburtshelfer für die Abnabelung vom Westen“ angesehen. Das ist nicht alles ganz neu, bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab es entsprechende Personen und Bestrebungen, seien es Spengler, Moeller van den Bruck, Nikisch u.a.. Russland wird zum politischen Sehnsuchtsort denn es „fördert den Aufbau nationalistischer Strukturen zur Schwächung der EU und bietet den Rechtsparteien im Illiberalismus seiner „geführten Demokratie“ eine konzeptionelle Orientierung“: „Ein wenig scheint Russland das Spiel zu wiederholen, mit dem zuvor die Sowjetunion Teile der westlichen Linken einzuwickeln verstanden hat. Während sie nach außen mit Emanzipation, Frieden und Freiheit lockte, behielt sie das eigene Land fest im Griff von Regression, Militarismus und Zwang. Nach diesem bewährten Muster spielen sie jetzt der europäischen Rechten  erfolgreich das Lied der Souveränität, um sich selbst ein neues Imperium mitsamt abhängiger Satelliten zu schaffen“. Wie man ernsthaft glauben kann, dass dadurch ein neues, gerade auch von Russland unabhängiges Großdeutschland entstehen könnte bleibt mir schleierhaft. Man reibt sich die Augen vor soviel politischer Naivität. Aber Rationalität ist eben nicht der dominierende Faktor im politischen Spiel der Rechten und wenn es im Kern um die Etablierung eines autirätren Systems geht, ist Souveränität vielleicht auch nur nachrangig. Mit Blick auf den Überfall der Ukraine durch das neoimperiale Russland zeigt Weiß, dass es der Rechten nicht ganz einfach fällt, die widersprüchlichen und gegensätzlichen Positionen in einem kompakten Rechts-Diskurs einzufangen. Deutlich wird aber auch, dass an dieser Frage diese unheilige Allianz zwischen extremer Rechte und Russland nicht zerbrechen wird, und sei es um den Preis abenteuerlicher „intellektueller“ Klimmzüge. Weiß enttarnt auch die Narrative der angeblich verantwortlichen NATO-Osterweiterung als Ursache der Russland-Aggression gegen die Ukraine. Unter Verweis auf Münkler führt er aus, dass die eigentliche Ursache daran lag, dass der „gestrauchelte Gigant im Osten an „imperialen Phantomschmerzen“ und der Angst vor einer funktionierenden Demokratie in seiner unmittelbaren Umgebung“ hatte. Ebenfalls nicht ganz neu, aber durch den jüngsten Bundestagswahlkampf befördert wurde eine weitere Hexenlitanei: Der Versuch der AfD, den Nationalsozialismus in die politische Linke umzudeuten und dadurch die extreme Rechte von allen Verbrechen des Nationalsozialismus rein zu waschen und Geschichte unbefangen neu zu schreiben. Begründet wird diese abstruse These seit Jahren mit einem angeblichen Goebbels-Zitat, das aber weder von ihm stammt noch richtig wiedergegeben wurde. „Die von Hitler und Goebbels betriebene „Begriffspiraterie“ wird nun von der AfD weiterbetrieben. Weiß nimmt in einer detaillierten Argumentation diese Geschichtsverfälschung auseinander und charakterisiert die NSDAP als das was sie wirklich war: Eine auf die rassische Volksgemeinschaft gerichtete Bewegung, deren Kampf gegen die Linke „sie als neue Rechte mit Massenbasis für die alte Reaktion interessant gemacht hatte“. Die Klimax der Abenteuerlichkeit findet dann ihren vorläufigen Höhepunkt in dem „verstörenden Phänomen der antikommunistischen DDR-Nostalgie“. Die AfD hat es erkennbar geschafft, das Selbstbewusstsein-Ost mit den Konnotationen „autoritär“, „völkisch“ und „national“ aufzuladen. So sei, so zitiert Weiss Steffen Mau, „das ostdeutsche Selbstverständnis zwischen Opfer und  Avantgarde routiniert von rechts gefördert und eine erfolgreiche „Marke“ geschaffen worden“. Mit dem Kapern  von „Wir sind das Volk“, der Losung, mit der die DDR zur Geschichte wurde, über den Wahlkampfslogan „Vollende die Wende“, die Verwendung von Kinderliedern der DDR-Pioniere oder der Losung der DDR-Opposition „Schwertern zu Pflugscharen“ dringt die AfD in einen von ihr historisch nicht geschaffenen „kulturellen Erinnerungsraum“ ein.  Sie schafft es, dass „aus der autoritären Kontrollgesellschaft des Staatssozialismus…eine anheimelnde, identitätsstiftende Gemeinschaft (wird), in der Recht und Ordnung herrschten“. Und so kommt es zu einer NS-und DDR-Nostalgie und „der Antiliberalismus wird als Schnittmenge beider Systeme nun zum positiven Referenzpunkt“. Vor diesem Hintergrund ist dann die irrwitzige, aber ernstgemeinte Idee der Ost-Gründung eines „Deutschen Demokratischen Reiches“ zu verstehen. Der passende „Reichskanzler“ ist auch schon auserkoren. In einer „glorifizierenden Rückschau erscheinen das sowjetische System wie auch seine ostdeutsche Variante konservativ gewendet als Bastionen von Gemeinschaft und kultureller „Normalität“ gegen „Globalismus“. Paradoxerweise reklamiert man zugleich die Nachfolge jener Bürgerrechtsbewegung für sich,