Con traducción al español! Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt. Szczepan, wohl das Alter Ego des Autors, ist mal wieder zivilisationsmüde und zieht mit Gewehr und Winterausrüstung in den hohen Norden. Er trifft auf die rüstige 70-jährige Borghild, die mit ihrer kleinen Yacht durch das Nordmeer segelt und verlängert seine Zivilisationsflucht. Nachdem sie auf hoher See Vertrauen zueinander gefasst haben, übergibt sie ihm die Tagebücher eines Konrad Widuch. Konrad, Jahrgang 1895, Schlesier, hat ein bewegtes Leben hinter sich, bevor er im Juni 1946 mit seinen Aufzeichnungen beginnt. Er flieht mit 14 Jahren von zu Hause, wird Bergmann im Ruhrgebiet, Bootsmaat im 1. Weltkrieg, ist danach am Matrosenaufstand in Kiel beteiligt, geht mit Karl Radek nach Russland, kämpft dort und an anderen Fronten gegen die Weißen“, d.h. die Gegner der Bolschewisten. An einer der Fronten trifft er auf Sofie, die Liebe seines Lebens. Sofie „machte einen Menschen aus mir, denn sie zeigte mir, was Nähe bedeuten kann: Einheit, als wäre man nicht zwei getrennte Menschen. Sogar im Schweigen. Sogar in der Trennung“. Dieser Sofie, einer idealistischen Revolutionärin der ersten Stunde, zitterte nicht die Hand, wenn die Drecksarbeit für die Revolution getan werden musste. Diese Grausamkeit verliert sich jedoch mit der Geburt der ersten Tochter, „denn danach veränderte sie sich sehr, jeder Tag, den sie ihr Kind Arm hielt, ließ die große Idee des Kommunismus mehr verblassen, und als der Hunger in die Ukraine kam, wovon wir sehr wohl wussten, fand sie keine Rechtfertigung mehr für die Grausamkeiten, die die Partei, und es war unsere, dort beging“. Gemeint ist damit der „Mord durch Hunger“ (Holodomor) an Millionen von Ukrainern 1932/33. In beider Herzen brannte das „Feuer der Revolution“, „bis der Schweinehund, Stalin, aus dem, was die paar Jahre vielleicht das Vaterland des Weltproletariats gewesen war, ein gemeines Russland machte, und das gemeine Russland war immer eine Bestie, ein Behemoth, der sich mit seinem schweren Leib in Eurasien breitmacht, unersättlich, gierig nach Menschenblut, und wo er hinkommt, wo sein Riesenleib sich reckt, da bleibt nichts“. Sofie und Konrad verabschieden sich innerlich vom „Vaterland des Weltproletariats“. Die in Wellen wiederkehrenden Stalinschen Säuberungen überziehen das gesamte Land, und ein “alter Bolschewik” zu sein war fast schon das Todesurteil, es sind Zeiten, in denen es „eine zuverlässige Vergangenheit“ nicht mehr gibt. Die Flucht nach Murmansk in der Hoffnung, dort übersehen zu werden und den Schergen des verhassten Diktators entfliehen zu können, erweist sich als Illusion: „…„alles zog sich immer enger um uns zusammen, immer schrecklicher, wie soll man da leben, wenn man beim Geräusch unerwarteter Schritt auf der Treppe feig zusammen zuckt, als wär man eine Leiche, schon zu Lebzeiten“? Konrad ermöglicht seiner Frau mit den beiden Töchtern die Flucht übers Meer. Er hofft, dass sie Norwegen erreicht haben. Aber auch ein Ende der Flucht auf dem Meeresboden erscheint ihm immer noch besser als das Leben in Lagern zu fristen. Diese tiefe Liebe zu Sofie und seinen beiden Töchtern durchzieht das gesamte Buch. Konrad wird als „Politischer“ nach dem berüchtigten Paragraphen 58 des sowjetischen Strafgesetzes verurteilt und verbringt acht Jahre an einem Ort, dessen Namen er nicht aussprechen will, einem Ort, „an dem nicht der Mensch stirbt, sondern seine Seele“. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit gelingt ihm von diesem Ort die Flucht, er trifft auf die ebenfalls geflohene Kriminelle Ljubow, sie wird für die nächsten Jahre seine Weggefährtin. Sie gelangen nach „Cholod“, wo er „endlich wie ein Mensch, nicht wie ein gehetztes Tier“ lebt, fernab jeder bekannten Zivilisation, mit Menschen, die ein eigenes Lebens- und Wertesystem entwickelt haben und leben. Dieses neue Leben wird jedoch überlagert von der Angst, dass „Russland zurückkommt“, und sie machen sich keine Illusion darüber, was das bedeutet: Dann „kommt es unaufhaltsam, grausam, gleichgültig, grausam wie eine Sturmflut, eine Lawine, und hinterlässt nichts als Brandreste und Knochen“. Diese Angst hat sich auch in unseren Tagen wieder breitgemacht. Nach einigen Jahren schlägt aber auch an diesem Zufluchtsort das Schicksal zu und er muss sich erneut auf den Weg ins Unbekannte machen. Wieder findet er seinen Platz, aber Jahre später wird er erneut zum Aufbruch gezwungen. Er landet auf einer vom Packeis eingeschlossenen kleinen Jacht, sinnigerweise mit dem Namen „Invincible“. Dort beginnt er sein Tagebuch, gerichtet an eine „unbekannte Leserin“, und von dort bricht er mit dem Tauwetter auch wieder auf ins Unbekannte, Offene… Für Szcepan klären sich nach und nach einige Fragen, die die Tagebücher aufwerfen. Andere Fragen bleiben jedoch für ihn wie den Leser auch am Ende offen. Der Titel des Buches bezieht sich zum einen auf die Landschaft im hohen Norden und Osten Russlands, „Cholod“, auf Russisch „Kälte“. In einem viel tieferen Sinn aber charakterisiert diese „Kälte“ den größten Teil dieser Geschichte. Was Konrad erlebt und überlebt hat, füllt nicht nur ein Leben, es reicht für viele Leben: Frühe Heimat- und Ortlosigkeit, Familienglück und -leid, Aufbruch, Flucht, Verlust, Hoffnung, Verzweiflung, Stärke, Scheitern, Neuanfang, Verfolgung, ständiger Überlebenskampf in den Abgründen menschlichen Lebens. Dies führt Konrad immer wieder zur Frage: Was ist ein Mensch? Bin ich ein Mensch? In welchen Situationen wird der Mensch zum Tier, das „weder gut noch Böse (kennt), nur den Selbsterhaltungstrieb, den eigenen Hunger, reine Begierde, reine Angst; die Emotionen, die die Wirklichkeit beim Tier erzwingt, sind frei von moralischen Wertungen oder Dilemmata”. Das eigene Überleben steht im Mittelpunkt, dafür ist kein Preis zu hoch. Einzig bei der Frage, ob er selbst zum Kannibalen werden könnte, reagiert er mit einer Distanz, die als Abscheu zu beschreiben aber schon zu viel wäre. Auch musste sie nicht die Probe aufs Exempel nicht bestehen. Das Buch ist Vieles. Ein Abenteuerroman, ethnographische Studien und Beschreibungen inklusive, eine Autobiographie, eine Familiengeschichte, eine Abrechnung mit der menschenverachtenden Brutalität totalitärer Systeme an Beispiel der Sowjetunion, eingebettet in einen zeitgeschichtlichen Hintergrund, der in seinen Ausprägungen viele Millionen Menschen grausam vernichtet hat, und somit auch ein literarisches Zeitdokument. Die Geschichte an sich ist grausam und brutal. Kalt ist aber auch die Sprache. Die Wirkung auf den Leser erhöht sich aufgrund der distanzierten, teilnahmslos kalt beschreibenden, teils derben Sprache, die nur äußerst selten von Mitgefühl oder Verständnis angehaucht ist. Stellenweise fühlte