Zauber der Stille: Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten

von Florian Illies

Ich kannte einige Gemälde von Caspar David Friedrich, allen voran natürlich die „Kreidefelsen auf Rügen“und den „Wanderer über dem Nebelmeer“, hatte mich aber nie näher mit Friedrich und seinem Werk befasst.
Die Ausstellung anlässlich seines 250. Geburtstages in der Alten Nationalgalerie in Berlin weckte jedoch mein Interesse. Da es als äußerst schwierig galt an Eintrittskarten zu kommen, wollte ich zumindest etwas mehr wissen und stieß auf das hier besprochene Buch von Illies.

In vier Kapiteln, überschrieben mit den Titeln „Feuer“, „Wasser“, „Erde“ und „Luft“, nähert sich Illies über diese Elemente Caspar David Friedrich, seinem Leben und seinem Werk. Dieses Buch ist jedoch weder eine detaillierte Biografie noch eine allumfassende Werkanalyse, will es auch nicht sein. Es ist eine Hinführung zu Person und Werk und ermöglicht ein Grundverständnis dieses wohl bedeutendsten Malers der Romantik.

Wir erfahren einiges über Friedrichs Leben, eingebettet in den zeitgeschichtlichen Kontext, wobei Illies eine sehr ironische, wenn auch ab und an allzu saloppe, ja flapsige Art hat, das Zeitgeschehen zu kommentieren.

Es dauerte, bis Friedrich sich durchsetzen konnte, aber bereits zu Lebzeiten geriet er auch wieder in Vergessenheit.

Wir erfahren Einiges über die wichtigsten Bilder. Dabei geht es nicht immer vorrangig um eine Interpretation eines Kunst-Experten, vielmehr erfahren wir auch Vieles über den Weg und den Verbleib manches dieser Bilder, darunter aberwitzige Geschichten. Die Geschichte der Gemälde Friedrichs ist vielfach auch die Geschichte ihres Verlorengehens oder ihrer Zerstörung.

Thematisiert wird die sich wandelnde Rezeption Friedrichs im Verlauf dieser nun zweieinhalb Jahrhunderte. Interessant bis amüsant zu lesen sind die Darstellungen und Charakterisierungen der Aneignungsversuche am Beispiel der Nationalsozialisten, der DDR oder der 68er. So meinten Letztere, mit der Ruhe, der Beschaulichkeit und den mangelnden Aktionen in seinen Bildern wolle Friedrich „die Passivität seiner Klasse, des Kleinbürgertums, ideologisch legitimieren“. Illies lapidar: „Was für ein Quatsch“.

Wichtig für das Verständnis Friedrichs ist vorab zu wissen, dass er nicht naturgetreu malt, er ist kein Landschaftsmaler, vielmehr eine Art früher „Konzept-Künstler“: „Caspar David Friedrich atmet Natur ein, um sie als Kunst wieder auszuatmen“. In seinem kärglich möblierten kleinen Atelier fügt er frühere Skizzen, Impressionen, Erinnerungen und seine Phantasien zu einem Gemälde zusammen. Daher ist es auch kaum möglich, die konkreten Orte seiner Bilder zu finden, da diese eben nicht existieren, sondern vielfach im Collagen-System zusammengefügt sind. Dies erklärt auch, wieso bei einer Reihe seiner Bilder die Titel, mit denen sie nach ihm vermarktet werden, sich immer wieder wandeln.

Friedrich hat viele Facetten. So ist er ein durchaus politischer Mensch, Patriot und Nationalist. Er “entwirft das Ideal eines vereinigten Deutschlands, wiedergeboren aus uralten Quellen. Und mit den Jahren vermischt sich bei ihm das Christliche und das Germanische auf extreme Weise, ob nun Jesus von Nazareth oder Hermann der Cherusker, beide werden von Friedrich inbrünstig verehrt.“

Aber auch ein rebellischer Zug ist bei Friedrich festzustellen. Das in den Karlsbader Beschlüssen enthaltene Verbot, bestimmte Kleidung zu tragen, führte dazu, dass Friedrich diese „aus Trotz weiterhin in seinen Bildern zeigt, auch bei dem berühmten Gemälde “Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“.

Vor allem aber ist Friedrich tief religiös: „Der fromme Friedrich glaubt, dass die Erneuerung des Glaubens nur aus der Natur selbst kommen kann und aus dem zeitgenössischen Menschen, der offene Augen für den Schöpfer hat.“ Eine ganz besondere Herausforderung sind für Wilhelm die Wolken, der Himmel, die Luft: “Himmel malen ist für ihn wie Gottesdienst“. Wolken sind „für Friedrich nicht einfach Wolken. Für Friedrich sind Wolken aufgeladen im Sinne der christlichen Mystik. Da der Mensch das göttliche Licht nicht sehen darf, habe sich Gott, damit seine Gegenwart erträglich sei, in Nebel oder Wolken gehüllt“. Wobei auch das wieder eine Provokation für amtskirchliche Kreise war, denn es gibt“ Höheres als eine Wolke“.

Wie er überhaupt keine Provokation scheute. So sorgte die von ihm im „Kreuz im Gebirge“, später „Tetschener Altar“ genannten Bild vorgenommene Verbindung von Landschaftsmalerei, Religion und Glaube für einen handfesten Skandal, eine“ unglaubliche Provokation für die konservativen Sachsen“, denn Friedrich hat “einen Altar gemalt und auf seinem Bild die Natur zum heiligen Ort erklärt“.

Gleichzeitig war sein Gott auch immer ein Gott der Einsamkeit. Dies kam kaum irgendwo stärker zum Ausdruck als in seinem Bild „Mönch am Meer“: „Nie zuvor ist das Zweifeln an Gott, die Nichtigkeit des Einzelnen und seine Verlorenheit angesichts der Ur-Kräfte der Natur kompromissloser dargestellt worden…Es ist der Urknall der Romantik.

Das von Friedrich so sehr gewünschte gute Verhältnis zu Goethe will nicht zu Stande kommen. Goethe kann mit dieser Form von Malerei nichts anfangen. Es besteht sogar die Vermutung, dass Goethe in einem Wutanfall eines seiner Bilder teilweise zerstört hat.

Trotz seiner intensiven Bemühungen kommt CDF seinerseits der Bitte Goethes nicht nach, für ihn die Wolken nach den neuen wissenschaftlichen Kriterien zu malen: „Der Himmel ist für ihn ein magischer, heiliger Ort, den kann er nicht zum naturwissenschaftlichen Lehrmaterial herabwürdigen, wie es der Geheimrat gerne hätte“.

Da Friedrich seine Bilder nicht signiert, kommt es über die Zeiten auch dazu, dass seine Werke anderen Künstler zugeschrieben werden, so beispielsweise das Bild „Der Watzmann“.
Gerade bei diesem Bild zeigen sich die manchmal irrwitzigen Wege, die Bilder von Caspar David Friedrich im Laufe der Zeit genommen haben. So wurde der Ankauf dieses Bildes durch die Berliner Nationalgalerie nur mittels eines finanziellen Zuschusses von Adolf Hitler möglich, der zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht wusste, dass der Verkäufer Jude war, der mit dem Verkaufserlös dieses ihm unbekannten Meisters wohl die Ausreise aus Nazi -Deutschland für sich und seine Familie finanzieren konnte“.

Wie man sich CDF und seinen Werken nähern, sich um Verständnis bemühen sollte, auch darüber gehen naturgemäß die Meinungen über die Jahrhunderte auseinander. Ich halte es da mit Friedrich selbst: „Willst du wissen, was Schönheit sei? Befrage die Herren Ästheten, beim Teetisch kann’s dir nützlich werden, aber vor der Staffelei nicht, da musst du fühlen, was schön ist“.

„Zauber der Stille“ ist eine hervorragende, verständliche, gut zu lesende Hinführung zu Person und Werk von Caspar David Friedrich und macht Lust darauf, sich intensiver mit diesem Künstler zu befassen. Besseres kann man über ein Buch kaum sagen.

Entgegen allen Voraussagen und Befürchtungen war es dann doch einfach, Eintrittskarten für die wirklich phänomenale Ausstellung in Berlin zu bekommen. Wie gesagt war mir CDF kein gänzlich Unbekannter, von der Bandbreite seines immensen Schaffens hatte ich jedoch keine Vorstellung. Die faszinierende Berliner Ausstellung, begleitet durch einen sehr instruktiven Audio-Guide, ermöglichte einen exzellenten Einblick in das Schaffen Caspar David Friedrichs. Wer die Gelegenheit hat, sollte diese Ausstellung besuchen, die ab Ende August in Dresden zu sehen ist. Als letzte Möglichkeit bleibt dann ein Ausflug nach New York, ab Februar 2025 ist die Ausstellung im Moma zu sehen.

Sehr empfehlenswert ist der im Prestel Verlag erschienene Katalog der Ausstellung, der, in deutscher und englischer Ausgabe, in der Museumsbuchhandlung für nur 30 € (deutlich billiger als später im Buchhandel, 49.- €) erhältlich ist.

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